NIPT als Kassenleistung und Ersttrimesterscreening

Der nicht-invasive Pränataltest (NIPT) zur Detektion von Trisomien im Rahmen der Pränataldiagnostik ist seit 2012 auf dem Markt. Bislang mussten werdende Eltern die Kosten selbst tragen, ab Juli 2022 wird der Test erstattungsfähig sein. Der entsprechende Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses trat am 9. November 2021 in Kraft.
Finden Sie hier die wichtigsten Fragen und Antworten:

Welche Qualifikation muss der Arzt für die NIPT Beratung erfüllen?

Vor der Durchführung eines NIPT ist eine intensive, qualifizierte, genetische Beratung der werdenden Eltern durch einen Facharzt obligatorisch. Hier besteht ein Arztvorbehalt. Zudem muss die verantwortliche ärztliche Person über die entsprechende Qualifikation verfügen. Es handelt sich hierbei um eine prädiktive genetische Untersuchung in Sinne des GenDG, welche eine fachgebundene genetische Beratung voraussetzt („großer Genetikschein“ – 72 Kursstunden).

Wann wird der NIPT von der Krankenkasse übernommen?

Der Gemeinsame Bundesauschuss nimmt diesbezüglich in seiner Versicherteninformation wie Folgt Stellung:

„Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten für einen NIPT auf Trisomie 13, 18 und 21. Dieser Test ist keine Routineuntersuchung. Die Kosten werden übernommen,
• wenn sich aus anderen Untersuchungen ein Hinweis auf eine Trisomie ergeben hat oder
• wenn eine Frau gemeinsam mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt zu der Überzeugung kommt, dass der Test in ihrer persönlichen Situation notwendig ist. Diese Situation kann entstehen, wenn die Möglichkeit einer Trisomie eine Frau so stark belastet, dass sie dies abklären lassen möchte.“

Was muss bei der Beratung beachtet werden?

Die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) hat dazu 10 goldene Regeln für die Durchführung eines NIPT-Tests formuliert:
1. NIPT erfordert eine ärztliche Aufklärung und genetische Beratung nach Gendiagnostikgesetz (GenDG).
2. NIPT erlaubt derzeit zuverlässige Aussagen zur Wahrscheinlichkeit einer Trisomie 21, 18, 13, aber keine Aussagen zu strukturellen Fehlbildungen. Diese machen jedoch den Großteil der perinatal relevanten Anomalien aus. Auch lassen sich die meisten anderen Chromosomenstörungen und syndromale Erkrankungen nicht erkennen.

Die Abbildung zeigt Ihnen hierzu nochmals sehr eindrücklich eine entsprechende Verteilung von angeborenen Auffälligkeiten aus dem EUROCAT Register:

3. NIPT erfordert eine qualifizierte Ultraschall-Untersuchung, idealerweise vor der Blutabnahme und nach 12 SSW.
4. Bei sonographisch nachgewiesenen Fehlbildungen oder erhöhter Nackentransparenz ist die diagnostische Punktion (CVS oder Amniozentese) Mittel der Wahl, um Chromosomenstörungen erkennen zu können und um einen unnötigen Zeitverlust bis zur endgültigen Diagnose zu vermeiden.
5. Im Rahmen einer NIPT-Untersuchung sollten grundsätzlich der fetale bzw. schwangerschaftsspezifische Anteil an der zellfreien DNA angegeben werden. Die „Fetal fraction“ ist ein Qualitätsparameter mit großem Einfluss auf die Testgüte.
6. Ein ergebnisloser NIPT ist ein abklärungsbedürftiger Befund.
In diesem Kollektiv finden sich mehr Chromosomenstörungen, insbesondere Trisomien 13 und 18 sowie Triploidien.
7. NIPT ist ein Screening-Test. Bei einem auffälligen NIPT ist eine diagnostische Punktion obligat anzubieten. Die Indikationsstellung zum Schwangerschaftsabbruch darf nicht auf einem isolierten NIPT-Befund beruhen.
8. NIPT auf Veränderungen der Geschlechtschromosomen sollte nicht routinemäßig durchgeführt werden.
9. Der Einsatz von NIPT zur Bestimmung des Risikos für seltene autosomale Aneuploidien, strukturelle Chromosomenstörungen, insbesondere Mikrodeletionen und monogenetische Erkrankungen beim Feten kann derzeit nicht generell empfohlen werden.
10. Bei Zwillingsschwangerschaften, nach künstlicher Befruchtung und bei Adipositas hat NIPT eine höhere Versagerquote und es liegen nur eingeschränkt Daten zur Testgüte vor.

Wie zuverlässig ist der Test?

Grundsätzlich ist ein NIPT zwar genau, trotzdem kommt es auch zu falschen Ergebnissen. Deshalb kann der Test keine sichere Diagnose einer Trisomie stellen.

Bei einem NIPT können zwei Fehler passieren:
• Eine Trisomie wird übersehen. Beim Down-Syndrom passiert das bei weniger als 1 von 10 000 Untersuchungen.
• Der NIPT ist auffällig, das Ungeborene hat aber in Wirklichkeit keine Trisomie. Das wird falscher Verdachtsbefund genannt. Dazu kommt es beim Down-Syndrom in etwa 5 von 10 000 Untersuchungen.

Bei Trisomie 13 und 18 passieren solche Fehler häufiger als beim Down-Syndrom.

Entscheidend für die Beratung ist aber insbesondere der sogenannte Positiv Prädiktive Wert (PPV). Dieser Wert gibt an, wie viele Personen, bei denen eine bestimmte Krankheit mittels eines Testverfahrens festgestellt wurde, auch tatsächlich krank sind.
Das Beispiel zum Down-Syndrom wird in der Versicherteninformation des Gemeinsamen Bundesauschusses wie folgt angegben:

Für Trisomie 13 und 18 ist der PPV noch deutlich niedriger. Daher ist es entscheidend, dass jeder auffällige NIPT vor der Einleitung eventueller Konsequenzen (z.B. Schwangerschaftabbruch) mittels diagnostischer Punktionen abgeklärt wird.

Welchen Stellenwert hat das sonografische Ersttrimesterscreening in Kombination mit NIPT?

Wie oben bereits beschrieben machen strukturelle Fehlbildungen den Großteil der perinatal relevanten Anomalien aus. Daher ist das sonografische Ersttrimesterscreening im Sinne einer frühen Fehlbildungsdiagnostik weiterhin obligat anzubieten.
Durch die frühe Diagnostik von Anomalien, ist es zunehmend möglich über verschiedene intrauterine Interventionen den weiteren Verlauf der Fehlbildungen positiv zu beeinflussen. Sollten Auffälligkeiten mit infauster Prognose vorliegen, kann ein früher Schwangerschaftsabbruch technisch einfacher ohne den psychisch sehr belastenden Fetozid durchgeführt werden. Im Falle eines unauffälligen Befundes können die Eltern beruhigt werden und somit eine unbelastete Schwangerschaft ermöglicht werden.
Neben der frühen Fehlbildungsdiagnostik ermöglicht das Ersttrimesterscreening weiterhin die Möglichkeit eines sehr effektiven Präeklampsie- und IUGR-Screenings (siehe unten), sowie eine zuverlässige Evaluation der Chorionverhältnisse bei Mehrlingen.

Wie sind Entdeckungsraten der frühen Fehlbildungsdiagnostik?

Die Daten zu den Detektionsraten der frühen Fehlbildungsdiagnostik sind aufgrund unterschiedlicher Studienansätze sehr heterogen. Bei entsprechender Expertise sind Entdeckungsraten von über 80% beschrieben.

Gibt es Richtlinien für die Durchführung der frühen Fehlbildungsdiagnostik?

Es gibt sowohl nationale (DEGUM) als auch internationale (ISUOG) Richtlinien an denen sich die Durchführung der frühen Fehlbildungsdiagnostik orientieren sollte (siehe Abbildung; von Kaisenberg et al.). Dadurch lässt sich die Erkennungsrate der Untersuchungen signifikant steigern (Karim et al.)

Präeklampsiescreening

Neben dem frühen Fehlbildungsausschluss rückt in den letzten Jahren auch das Präeklampsiescreening im ersten Trimenon zunehmend in den Focus.
Mittels Doppler-Messung der A. uterina, mütterlichem Blutdruck, Anamnese und fakultativ biochemischen Paramtern gelingt die Prädiktion einer schweren Präeklampsie zu 90% (siehe Abbildung)

Ergibt das Screening ein erhöhtes Risiko (> 1:100), kann durch die Gabe von ASS (150mg) das Risiko für die Entwicklung einer schweren Präeklampsie vor der 34. SSW um 82% reduziert werden (ASPRE-Trial).